Nach Drohungen von Facebook: AlgorithmWatch sieht sich gezwungen, Instagram-Forschungsprojekt einzustellen
Facebook versucht derzeit verstärkt, Organisationen daran zu hindern herauszufinden, wie auf der Plattform Inhalte bekannt gemacht, unterdrückt und gesteuert werden. Vergangene Woche sperrte das Unternehmen Forscher·innen der New York University den Datenzugang. Auch AlgorithmWatch sah sich gezwungen, ein Datenspende-Projekt zu beenden, um nicht zu riskieren, vom Konzern verklagt zu werden. Das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedsstaaten müssen jetzt handeln, um weitere Schikanen zu verhindern.
Digitale Plattformen spielen eine immer wichtigere Rolle dabei, die öffentliche Debatte zu strukturieren und zu beeinflussen. Unabhängige Watchdog-Organisationen, Forscher·innen und Journalist·innen müssen in der Lage sein zu überprüfen, wie sie dabei vorgehen. Nur so können sie zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie unverantwortlich handeln.
Am 3. März 2020 startete AlgorithmWatch ein Projekt mit dem Ziel, besser zu verstehen, wie der Newsfeed-Algorithmus von Instagram Bilder und Videos in der Timeline von Nutzer·innen priorisiert. Freiwillige konnten dazu ein Browser-Add-on installieren, das ihre Instagram-Newsfeeds auslas und an unsere Datenbank sendete.
In den letzten 14 Monaten haben etwa 1.500 Freiwillige das Add-on installiert. Anhand ihrer Daten konnten wir Belege dafür finden, dass Instagram-Nutzer·innen dazu ermutigt werden, Bilder von sich mit viel nackter Haut zu posten, und dass Politiker·innen wahrscheinlich eine größere Reichweite erlangen, wenn sie in ihren Veröffentlichungen auf Text verzichten (Facebook bestreitet beide Ergebnisse).
Obwohl wir den Algorithmus von Instagram nicht in allen Details überprüfen konnten, gehört diese Untersuchung zu den bisher umfassendsten Studien, mit denen die Plattform überprüft wurden. Das Projekt wurde vom Europäischen Netzwerk für Datenjournalismus und von der niederländischen Stiftung SIDN unterstützt und in Zusammenarbeit mit Mediapart in Frankreich, NOS, Groene Amsterdammer und Pointer in den Niederlanden und der Süddeutschen Zeitung in Deutschland durchgeführt. Dutzende Publikationen in aller Welt haben darüber berichtet.
von Nicolas Kayser-Bril